Aktionen und ihre Folgen
Zukünftiges
Aktionen und ihre Folgen

Kurier:3. April 1998

Es darf gepflückt werden
Seethalers Zettel sind geschütztes Kulturgut


"Wirklich fassungslos" ist Helmut Seethaler - wie so oft in seiner 24jährigen Karriere als Wiener Zetteldichter. Diesmal aber im positiven Sinn: Der Unabhängige Verwaltungssenat hat beschlossen, daß es sich bei seiner "Literatur zum Pflücken" um eine "anerkannte Kunstform handelt, solange sie keinen Schaden hinterläßt".
Die Anbringung seiner Gedichte, z.B. auf Säulen im U-Bahn-Bereich, gilt nicht mehr als Verunreinigung. Somit ist Seethaler auch finanzielle Ängste los. Der Oberste Gerichtshof sprach ihn in allen anhängigen Verwaltungsstrafen frei. Er könnte sogar auf Schadenersatz klagen. Will er aber nicht. Zu tief sitzt ihm noch die Angst vor Strafen, die ihn zuletzt um seine Existenz zittern und ans Aufhören denken ließen, im Nacken.
Vorsichtig machte er sich in den letzten Tagen daran, wieder Zettel zu kleben - mit dem Bescheid in der Tasche. Prompt kam´s zur üblichen Konfrontation mit der Stationswartin am Schwedenplatz. Allerdings mit unüblichem Ende. Auf einer Seite klebte Seethaler, auf der anderen riß sie die Zettel wieder herunter. Der Dichter holte die Polizei. Folgewirkung: Die Beamten versuchten die Stationswartin davon zu überzeugen, daß es nicht angehe, alle zehn Minuten einen Einsatz zu provozieren.
"Ich kann´s noch gar nicht glauben". Der Zettelpoet ist allen Menschen, die ihn am Aufhören "hinderten", unendlich dankbar. Auch den Medien, die über seine Not berichteten. Vor allem aber Prof. Günther Winkler, dessen Gutachten von Kulturstadtrat Peter Marboe erwirkt und erfolgreich eingesetzt wurde.
Caro Wiesbauer


Betrifft: Zahlungsbefehl der Bank Austria


Offener Einspruch

Am 26. 11. 1998 wurde dem bekannten Wiener Zettelpoeten Helmut Seethaler ein richterlicher Zahlungsbefehl der Bank Austria zugestellt. Die eingeforderte Summe: 19.000 Schilling. Wie
es seine Art ist, erhob der Künstler dagegen am 8. 12. öffentlich Einspruch - wie folgt:

Ich habe oft gebeten, Verständnis für einen armen Künstler zu zeigen. Gebeten, es als Künstler-Förderung anzusehen, mir VORERST die Schuld zu erlassen - bis ich nicht nur berühmt wie
jetzt bin, sondern auch reich genug, um mir die hohen Minuszinsen zu leisten.

Es ist nicht gelungen, mit Euch zu reden. Ich habe nichts. Weniger als nichts. Viele unbezahlte, unbezahlbare Rechnungen. Kürzt mich aufs Existenzminimum. Aber ich hab ja schon weniger
als das.

Hab Erbarmen, oh Du reichste Bank Austrias, mit einem armen Künstler Austrias.

Komm, oh Du Bank DU, die Du vorgibst, die Kunst zu fördern, und vernichte einen Künstler so wie es die Wiener Linien bereits mit 1253 Anzeigen und Strafen versuchen, weil ich in
U-Bahnstationen meine Zettelgedichte anklebe...

Ja, natürlich bist Du, Du mächtigste Bank des Landes, im Recht (der Mächtigen und Reichen).

Ja, Du borgtest mir einmal 10.000 S und ich hab mehr zurückgezahlt als ich ausborgte: Aber noch immer waren Raten offen und seit zwei Jahren kann ich nicht mehr zahlen.

Nun ist die Schuld doppelt so hoch wie das, das ich mir borgte. Eure Zinsen und Mahnungen, Eure Anwaltskosten und nun die Klage- und Gerichtsgebühren tragen bei zur Unbezahlbarkeit.

Ihr lebt von diesen Methoden, andere sterben daran. Ganze Staaten treibt man so in immer größere Abhängigkeit.

Wenn ich monatlich 400 S an Euch zahle, wäre damit nur gesichert, daß ich monatlich 400 S an Euch weiterzahlen muß bis ans Lebensende, ohne daß sich die Gesamtschuld verringert... Ich
hab auch diese 400 S nicht. Es reicht auch ohne Eure Gier nicht mehr zum Leben.

Was habt Ihr davon, mich zu ruinieren? Kommt und pfändet mich: Es ist aber nichts da für Euch. Nur viele, viele Zettelgedichte. Ihr seid doch schon reich genug! Und bin ich nicht schon
arm genug?

Meine drei kleinen Töchter haben auch nichts für Euch. Kommt, Ihr großen Banker, und packt das Leben eines kleinen Künstlers ein. Komm, oh Du größte Bank Österreichs, die Du die
Künstler förderst, und fordere von einem Künstler seine Existenz.

Nun muß ich öffentlich um Hilfe rufen. Ob das in Eurem Sinne ist? Aber mit Euch zu reden war nie möglich. So bleibt mir nur dieses laute Jammern. Ihr habt mich geklagt. So muß ich nun
darüber klagen.

P.S.: Die amtlichen Kunstvandalen der Wiener Linien danken es Euch. So haben sie einen Partner, mit dem es nun gelingen wird, Wiens Straßen und Stationen LITERATURFREI zu halten.
Zukünftiges

01.06.2000 (16-19 Uhr)

Die General-Direktion der Wiener Stadtwerke (Ringturm) wird mit 2000 Texten beklebt.

05.05.2001 (16 Uhr)

Rathaus-Einwicklung mit Zettelgedichten.

01.07.2002 (19 Uhr)

Lesung auf der Albertina-Stiege. Nachher Beklebung der Umgebung mit neuen Gedichten.